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Blasenvolumen zu gering ?

Kategorie: Special-harninkontinenz.de » Expertenrat Kindliches Einnässen | Expertenfrage

30.06.2010 | 01:50 Uhr

Sehr geehrte Frau Dr. Wilke,

meine 5 1/2 jährige Tochter war im Alter von 3 Jahren gerade einmal 3 Monate trocken (sogar auch nachts), kam dann in den Kindergarten und nässt seitdem tagsüber (zeitweise bis zu 8x) mehr oder weniger ein. Manchmal ist es nur ein Pfützchen, manchmal eine ganze Ladung.
Da sie sehr intelligent ist und sehr konzentriert spielt, dachte ich immer, es sei Unlust oder die Angst, etwas zu verpassen. Zeitweise passiert es nämlich auch, daß sie leicht einkotet, allerdings selten. Da sie dann aber auch immer öfter starke Schmerzen beim Wasserlassen bekam, bestand ich doch auf einer genaueren Untersuchung. Der Urin war unauffällig.
Der Kinderarzt hat per Ultraschall keine Auffälligkeit erkennen können. Sie hatte zwei Blasenentzündungen in den letzten 6 Monaten. Nachdem ich Trink- und Ausscheidungsmenge messen sollte über drei Tage, ergab sich, daß sie, wenn sie 200 ml trinkt, 30 Min. später in ca. 5-10-minütigem Abstand 60-90 ml ausscheidet. Die Urinmenge war nie größer als 90 ml. Der Arzt vermutet, daß das muskuläre Zwischenspiel zwischen Blase und Harnröhre nicht richtig funktioniert. Wir waren auch bei einem Heilpraktiker, der einen Zusammenhang zur FSME-Impfung sah und diverse Globuli verschrieb. Diese hatten bisher den Erfolg, daß sei keine Schmerzen beim Urinieren mehr hat.
Da sie nun auch eingeschult wird, würde ich das Problem gern vorher regeln, damit sie keine Probleme bekommt in der Schule.
Ich soll nun in eine urologische Klinik zu weiteren Untersuchungen, ggf. zu einer Spiegelung.
Wie ich gehört habe, werden die Untersuchungen nur unter Vollnarkose durchgeführt und oft ergibt sich, daß man abwartet, ob sich das Problem herauswächst. Ich würde meiner Tochter diese Untersuchungen gern ersparen. Ich war als Kind auch im Alter von 6 - 12 Jahren nieren- und blasenkrank (chron. Entzündung) und habe diese Untersuchungen damals noch komplett ohne Narkose erhalten.
Kann sich dieses fehlerhafte Zusammenspiel rauswachsen ?
Kann ich mit Kürbiskern-Dragees die Blasenfunktion stärken und mit Sitzbädern helfen ??
Danke im voraus für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Gudrun T.

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06.07.2010, 04:39 Uhr
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Sehr geehrte Gudrun,
dass sich die Kontinenzprobleme der Kinder quasi immer von selbst erledigen, also herauswachsen, ist in dieser Absolutheit ein leider noch weit verbreiteter Irrtum. Unkomplizierten Formen des Einnässens kann man durchaus etwas Zeit für die Ausreifung einräumen, aber je nach schwere des klinischen Bildes, Alter des Kindes und eventueller zu erwartender sozialer Konflikte sollte man eine Behandlung anbieten/in Angriff nehmen und die Kinder nicht ihrem Schicksal überlassen. Abgesehen davon, dass man schon in der Kindheit sehr unter einer für andere sichtbaren Tagesinkontinenz leiden kann, gibt es doch eine nicht zu verachtende Anzahl Erwachsener, die unbehandelt ihre Inkontinenz behalten oder aber in der Folge an anderen Blasen-oder Beckenstörungen leiden.
Im Fall Ihrer Tochter gibt es zwei Gründe, die Behandlung frühzeitig zu beginnen: 1.)Das Vorkommen von Harnwegsinfekten und damit der Verdacht auf eine kompliziertere Blasenfunktionsstörung, 2.) die zu erwartende Konfliktsituation durch die Einschulung.

Nach allem was Sie so ausführlich beschrieben haben, liegt der Verdacht nahe - und das war bei Ihren Kinderarzt auch so schon angeklungen - dass sich bei Ihrer Tochter eine Verhaltensstörung etabliert hat, im speziellen Falle eine Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination, also in der Tat ein fehlerhaftes Zusammenspiel von Blasenmuskulator und Verschlußmuskulatur, wahrscheinlich in Kombination mit einer überaktiven Blase. Die durchgemachten Harnwegsinfekte und die kleine Blasenkapazität sprechen dafür. Insofern wäre wirklich eine weitere Diagnostik erforderlich, und zwar ein Flow-EMG. Das ist eine Harnstrahlmessung mit gleichzeitiger EMG-Ableitung des Beckenbodens - eine nicht-invasive und auch komplett schmerzlose Untersuchung. Zusätzlich sollte in einem Blasenultraschall speziell Blasenwand- und Blasenmuskeldicke bestimmt werden. Eine Zystoskopie würde ich an dieser Stelle noch nicht für notwendig erachten, evtl bei weiterhin unklaren Befunden.
Die Abklärung in der vorgeschlagenen Form ist auch deshalb so zu empfehlen, da in der Konsequenz möglicherweise rein verhaltenstherapeutische Maßnahmen auf Sie zukommen, also nicht einmal unbedingt Medikamente, und weil diese Urotherapie oft viel Zeit und Geduld braucht. Es wäre sehr wünschenswert, wenn Sie Ihr Töchterchen zum Schulbeginn soweit fit hätten, dass sie am Tage nicht mehr unter für andere sichtbarem Einnässen leidet und nicht sofort auf der Hänsel-Liste landet.
Also eine kinderurologische Weiterbetreuung ist eindeutig zu empfehlen.
Kürbiskerne haben bei Kindern (im Unterschied zu Erwachsenen) nur in Ausnahmefällen eine Wirkung. Für die Störung bei Ihrer Tochter ist das keinesfalls anzunehmen.
Sitzbäder können unterstützend eine Hilfe sein, da gerade die tagsinkontinenten Mädchen durch die mehrfach feuchten Höschen oft an Schamlippenentzündungen (Vulvitis) leiden, die zusätzlich ein ausgeprägtes Brennen beim Wasserlassen hervorrufen und nicht selten als Blasenentzündungen missgedeutet werden. Vermeiden Sie hier aber Kamille - es trocknet noch mehr aus. Ich habe mit Tannosynt (ins Sitzbad) gute Erfahrungen gemacht. Sicher gibt es andere geeignete Mittel.
Ein Zusammenhang zur FSME-Impfung erscheint mit - bitte verzeihen Sie - als Unsinn. Diese Art von Blasenfunktionsstörungen sind schon viel länger bekannt, als es FSME-Impfunge gibt, und wann, bitte sehr, soll denn die Impfung erfolgt sein, wo das Problem doch mehr oder weniger schon seit einigen Jahren besteht. Die Besserung ist sicher auf etwas anderes zurükzuführen - anderes Trinverhalten, Wärme, eine ausgeheilte Schamlippenentzündung o.ä. Heilpraktiker können eine große Hilfe in der Behandlung dieser Kinder darstellen, aber nicht wenn ein solcher Zusammenhang dafür zugrunde gelegt wird.

Ich hoffe, Ihnen ein wenig weitergeholfen zu haben und möchte Sie ermutigen, die Behandlung in Angriff zu nehmen

Ihre Sibylle Wilke

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06.07.2010, 09:15 Uhr
Antwort

Sehr geehrte Frau Dr. Wilke,

vielen herzlichen Dank für Ihre sehr ausführliche und extrem hilfreiche Antwort.
Ich war gestern in der urologischen Klinik und es werden als nächstes genau die Untersuchungen durchgeführt, die Sie oben genannt haben.

Vielen herzlichen Dank. Ihre Antwort ist sehr ermutigend für mich.

Viele Grüße
Gudrun