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Reizblase bzw. Inkontinenz bei 4 Jähriger

Kategorie: Special-harninkontinenz.de » Expertenrat Kindliches Einnässen | Expertenfrage

27.01.2010 | 06:18 Uhr

Liebe Expertin,
meine 4 1/2 jährige Tochter hat seit über einem Jahr eine Reizblase. Sie hat mehrmals täglich plötzlichen, starken Harndrang. Sie sagt selbst, dass sie in dem Moment nicht auf Toilette laufen kann, da sie mit aller Kraft versucht den Urin zurückzuhalten. Dabei geht stets eine kleine Menge in die Hose. Sie ist oft ganz verzweifelt drüber und sagt Mama, ich kann gar nix tun, es läuft einfach Versucht sie danach auf Toilette sich zu entleeren, kommen nur ein paar Tröpfchen. Per Ultraschall wurde bereits festgestellt, dass sich die Blase nicht ganz entleert. Sie wird seit Monaten mit Mictonetten behandelt. Nachdem auch einige Blasenentzündungen dazukamen, nimmt sie seit Mai auch Nifuretten, 1 Tablette am Abend als vorbeugende Langzeittherapie. Seitdem hatte sie bereits zwei trockene Phasen von jeweils ca. 3 Wochen. Es klappte tagsüber perfekt (von der Nacht reden wir ja noch gar nicht...) Ganz plötzlich jedoch fängt alles wieder an. Wie kann es sein, dass auch unter der Therapie nach bereits trockenen Zeiten alles wieder von vorne beginnt? Unser Urologe meint, das Kind müsste motivierter mitarbeiten und öfter auf Toilette gehen. Ich kann dem nicht zustimmen, da sie selbst sehr drunter leidet und in der Zeit, in der sie trocken war hat sie es super alleine gemeistert. Nur in schlechten Zeiten sagt sie, es geht ja doch nix, warum soll ich also auf Toilette gehen. Ich bin sehr beunruhigt, da sie bereits so lange Zeit Antibiotika nimmt. Meine Heipraktikerin ist darüber entsetzt und macht mir Angst vor Folgeschäden. Wie lange kann man eine solche Therapie verantworten? Gibt es Alternativen? Ich hoffe sehr auf Ihre Antwort, da der Leidensdruck inzwischen sehr groß geworden ist.

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01.02.2010, 01:17 Uhr
Antwort

Sehr geehrte Nika,
an erster Stelle steht wie immer die Diagnostik, und das ist offenbar bei Ihrer Tochter erfolgt, denn ich entnehme Ihrer Beschreibung, dass zumindest eine Sonografie erfolgt ist, bei der Restharn festgestellt wurde. Ich weiß jedoch nicht, ob eine Harnstrahlmessung durchgeführt wurde - dies kann im Alter Ihrer Tochter und bei kleinen Blasenkapazitäten noch ein Problem sein. Ich frage deshalb danach, weil Harnwegsinfekte zusätzlich zu einer Inkontinenz die Behandlung deutlich verkomplizieren (wie Sie ja auch schon feststellen mussten). Meist liegt dann nicht die weniger komplizierte Blasenreifungsstörung, sondere eine komplexere Funktionsstörung vor, die aber trotzdem behandelbar ist,wenn man denn ihre Ursache kennt. Es kann sich zB um eine Störung handeln, bei der das Kind unbewußt beim Wasserlassen kneift, oder aber die sogenannte faule Blase , u.a.m. Die beiden genannten Störungen führen beispielsweise zu Restharn und zeigen sich häufig in Kombination mit Harnwegsinfekten. Sie sollten also noch einmal die bisherige Diagnostik mit Ihrem behandelnden Arzt besprechen und nach der Höhe des Restharn, der Blasenwanddicke im Ultraschall und einer Harnstrahlmessung , am besten als Flow-EMG, fragen. Sollte bei den Harnwegsinfekten Ihrer Tochter auch Fieber aufgetreten sein, sollte sogar eine spezielle Röntgenuntersuchung, ein MCU, durchgeführt werden.

Die Mictonetten können je nach Diagnose aber durchaus eine richtige Option darstellen und müssen nicht selten, gerade wenn die Behandlung bei sehr kleinen Kindern begonnen wird, auch über eine lange Zeit gegeben werden. Wenn die Mictonettentherapie plötzlich nicht mehr hilft, nachdem sie schon einmal gut funktioniert hat, dann kann das manchmal einfach daran liegen , dass ein Kind ordentlich gewachsen und in eine neue Gewichtsklasse gerutscht ist. Dann muss gelegentlich die Dosis nachgestellt werden. Zu empfehlen sind 0,8mg/kg Körpergewicht / Tag - meist auf 2 oder 3 Tagesdosen aufgeteilt.

Ganz wichtig ist aber, zu überprüfen, ob nicht weitere Maßnahmen helfen können: ein richiges Trink- und Wasserlassverhalten (Urotherapie) ist tatsächlich gerade für die Kinder oft das A und O. Es ist allerdings nicht damit getan, das Kind öfter zur Toilette zu schicken, auch wenn das schon ein richtiger Ansatz ist. Sie müssen dazu angeleitet werden, am besten von einer Urotherapeutin, die jedoch manchmal schwer zu finden sind. Die Kinder allein können das in diesem Alter noch nicht schaffen, sie brauchen auf jeden fall eine Partner, der sie anleitet und erinnert, in erster Linie natürlich die Eltern.

Möglicherweise braucht Ihre Tochter auch eine zusätzliche Biofeedbacktherapie - in Abhängigkeit von der o.g. Diagnostik.

Harnwegsinfekte werden - abgesehen von ihrer Schädlichkeit - mühsam erzielte Behandlungeserfolge immer wieder zunichte machen. Eine Prophylaxe ist daher vernünftig. Solcher Art Prophylaxen sind lange erprobt (seit ca 30 Jahren) und können auf der Basis dieser Erfahrungen mit gutem Gewissen bei Kindern eingesetzt werden. Natürlich ist das ein Kompromiß, aber der Schaden, den der Infekt anrichtet ist oft höher als die Belastung , die die Prophylaxe verursacht. Wenn Ihre Heilpraktikerin ihrer Tochter eine nebenwirkungsfreie Therapie anbieten kann, die ebenso sicher wie die Nifuretten die Harnwegsinfekte verhindern kann, dann wäre das sehr erfreulich - ich habe da aber meine Zweifel.

Bitte sprechen Sie also unbedingt noch einmal die Diagnostik durch, fragen Sie nach der genauen Bezeichnung der zugrundeliegenden Störung und besprechen sie die darauf aufbauende Therapiestrategie mit Ihrem Arzt. Möglicherweis lassen sich schon so einige Missverständnisse ausräumen und evtl noch weitere Behandlungsoptionen finden.

Viele Grüße
Ihre Sibylle Wilke

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17.06.2016, 09:55 Uhr
Kommentar von Lifeline-Redaktion

Liebe Nutzer,

zum Thema Einnässen bei Kindern haben wir einen ausführlichen Artikel veröffentlichen. Darin wird auch hervorgehoben, dass Enuresis bis zu einem Alter von fünf Jahren völlig normal und kein Grund zur Sorge ist:

http://www.special-harninkontinenz.de/kinder/

Ihre Lifeline-Redaktion