2,6 Millionen Frauen in Deutschland leiden unter Blasenschwäche, andere Quellen sprechen gar von rund acht Millionen. Die weibliche Bevölkerung ist von Harninkontinenz häufiger betroffen als Männer. Stuhlinkontinenz dagegen kommt bei beiden Geschlechtern etwa gleich häufig vor.
Bei der Blasenschwäche gibt es unterschiedliche Schweregrade. So kann Harninkontinenz sich bereits durch gelegentliches Abgehen von ein paar Tröpfchen Urin äußern, zum Beispiel beim Niesen oder Husten. In schwereren Fällen kommt es teilweise zu einem heftigen Harndrang, der es verhindert, rechtzeitig eine Toilette aufzusuchen.
Inkontinenz ist nicht nur ein körperliches Problem, sondern belastet auch Seele und Selbstwertgefühl. Urin oder Stuhl nicht mehr halten zu können, wird als Kontrollverlust über den eigenen Körper empfunden – im Erwachsenenalter nur schwer erträglich. Rückzug, Isolation und sogar Depressionen sind dann oft die Folge. Dabei lässt sich Inkontinenz in den meisten Fällen vollständig beheben – wenn man sich überwindet, darüber zu sprechen. Auch in Fällen, in denen eine komplette Heilung nicht möglich ist, kann man die Inkontinenz erheblich zurückdrängen und ein ganz normales Leben führen.
Formen der Harninkontinenz
Je nach Ursache des unabsichtlichen Urinabgangs lassen sich verschiedene Formen der Inkontinenz unterschieden. Harninkontinenz ist vorwiegend auf sechs Gruppen verteilt:
Dranginkontinenz: Es kommt zu unwillkürlichem Harnverlust in Verbindung mit imperativem (nicht kontrollierbarem) Harndrang.
Belastungsinkontinenz (früher Stressinkontinenz genannt): Es kommt zu Harnverlust bei körperlicher Belastung, zum Beispiel beim Heben, Husten und Niesen. Der Harnverlust kündigt sich nicht durch Harndrang an. Belastungsinkontinenz trifft vor allem Frauen: Fast jede zweite Betroffene von Harninkontinenz leidet unter dieser Form.
Inkontinenz bei neurogener Überaktivität des Blasenmuskels (früher Reflexinkontinenz genannt): Der Blaseninhalt entleert sich ohne jegliche Vorwarnung, weil das Signal "Blase voll" nicht mehr an das Gehirn geschickt wird.
Inkontinenz bei chronischem Harnverhalt (früher Überlaufinkontinenz): Die Harnblase kann sich durch Störungen ihrer Muskulatur beim Toilettengang nicht mehr vollständig entleeren. Sie fühlt sich also dauerhaft gefüllt an und kann einfach "überlaufen", ausgelöst etwa durch eine benigne Prostatahyperplasie (BPH)
kontinuierliche oder extraurethrale Inkontinenz
Eine Sonderform ist das Einnässen (Enuresis), darunter fällt auch die Kicherinkontinenz (auch Lachinkontinenz oder Giggle-Inkontinenz genannt). Bei der Kicherinkontinenz führt .
Einnässen wird definiert als unwillkürliche Blasenentleerung, bei der aber keine offensichtlichen körperlichen Ursachen vorliegen. Das Bettnässen (Enuresis nocturna) kommt besonders häufig bei Kindern vor, kann aber auch Erwachsene treffen. Fachleute zählen die Enuresis nicht zur Harninkontinenz. Trotzdem sind die beiden nicht scharf zu trennen.
Die Nykturie, nächtlicher Harndrang, gehört streng genommen nicht zu den Formen der Inkontinenz, da es meist nicht zur unfreiwilligen Blasenentleerung kommt.
Stuhlinkontinenz betrifft Männer und Frauen gleichermaßen
Abgesehen von der Harninkontinenz stellt auch die Stuhlinkontinenz eine massive Beeinträchtigung dar. Dabei ist die Entleerung von Kot aus dem Enddarm nicht mehr komplett willentlich steuerbar. An einer Stuhlinkontinenz leidet schätzungsweise jeder zehnte Mensch über 65 Jahren, Männer und Frauen etwa gleich häufig. In diesem Artikel wird das Thema ausführlich aufgegriffen.
Ursachen der Inkontinenz
Die Blasenfunktion ist sehr komplex: Nervensystem, Muskulatur an Blasenwand, Blasenhals und entlang der Harnröhre, die Harnröhre selbst sowie Muskeln, Nerven und Bindegewebe des Beckenbodens sind daran beteiligt. Ist dieses Zusammenspiel gestört, kann Inkontinenz die Folge sein.
Inkontinenz ist daher ein Symptom, keine Krankheit. Sie hat folgende Ursachen:
Schwäche der an der Blasenfunktion beteiligten Muskeln
Schäden oder Erkrankungen des Nervensystems
Bindegewebsschwäche
mechanische und funktionelle Abflussbehinderungen unterhalb der Blase
Erkrankungen und Fehlbildungen des Harntrakts
hormonelle Umstellung oder Störung, zum Beispiel Östrogenmangel während der Wechseljahre
Verletzungen, Schäden durch Operationen oder andere medizinische Eingriffe
Im Fall der Stuhlinkontinenz kommen außerdem folgende Ursachen in Betracht:
Verletzungen durch Geburten oder Eingriffe
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
chronische Verstopfung
Risikofaktoren für Inkontinenz
Harninkontinenz ist Folge einer Blasenfunktionsstörung, die sich entweder in Form einer Speicherstörung oder einer Entleerungsstörung äußert. Bestimmte Umstände begünstigen eine Inkontinenz:
Alter: Während der Wechseljahre fällt der Östrogenspiegel ab, das Bindegewebe verliert an Spannkraft, die Blase senkt sich ab. Bei Männern kommt es häufig zu einer gutartigen (benignen) Prostatavergrößerung.
Geschlecht: Frauen sind häufiger von Inkontinenz betroffen. Ihr Bindegewebe ist nachgiebiger und der Beckenboden weniger stabil und größer.
Schwangerschaften und Geburten strapazieren Muskeln, Bindegewebe und Beckenboden von Frauen zusätzlich.
Übergewicht
Ungesunde Ernährung fördert Verstopfung. Dabei nimmt der Druck im Bauchraum zu, beim Stuhlgang wird gepresst.
Trink- und Miktionsverhalten (Miktion = Entleerung der Harnblase): Viele Menschen trinken zu wenig, schieben Toilettengänge hinaus oder gehen vorbeugend, obwohl die Blase noch nicht genug gefüllt ist. Beides kann dazu beitragen, dass die Blase verlernt, sich ausreichend zu füllen oder vollständig zu entleeren.
Psychische Einflüsse wie Probleme in der Partnerschaft werden mit Inkontinenz in Zusammenhang gebracht. Wie genau, ist bisher aber unklar.
körperliche Belastung: Während viele Sportarten den Beckenboden stärken, schaden ihm andere. Dazu gehört zum Beispiel Gewichtheben. Auch anhaltender Husten kann Inkontinenz fördern.
Erkrankungen des Nervensystems (Schlaganfall, Demenz, Parkinson) und Krankheiten, die das Nervensystem schädigen (Diabetes) sowie wiederkehrende Harnwegsinfektionen erhöhen das Risiko für Inkontinenz.
medizinische Eingriffe und Medikamente: Beispielsweise die Entfernung der Gebärmutter, aber auch Diuretika (harntreibende Mittel) bei Bluthochdruck oder Herzschwäche können Inkontinenz fördern.
Veranlagung: Kommt Inkontinenz in der Familie vor, ist das Risiko, selbst zu daran zu leiden, erhöht.
Prostatakrebs
Steine oder Tumoren in der Blase
Auch Lebensmittel können eine zeitweilige Inkontinenz auslösen, weil sie die Blase stimulieren und wie ein Diuretikum, also harntreibend, wirken. Dazu zählen:
- Alkohol
- Koffein
- entkoffeinierter Tee oder Kaffee
- kohlensäurehaltige Getränke
- künstliche Süßstoffe
- Zitrusfrüchte und andere Lebensmittel, die viel Säure, Zucker oder Gewürze beinhalten
So wird Harninkontinenz diagnostiziert
Besteht eine Harn- oder Stuhlinkontinenz, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Es gibt zudem Kontinenzzentren, in denen sich Spezialisten ausschließlich dem Thema Inkontinenz widmen. Ob Allgemeinarzt oder Spezialist: Schämen Sie sich nicht, sich mit Ihrem Problem an einen Mediziner zu wenden. Dieser ist Profi und wird nüchtern an das Thema herangehen.
Zunächst wird der Arzt per Anamnese herauszufinden versuchen, welche Form der Inkontinenz vorliegt. Fragen an den Patienten sind etwa:
Allgemeine Fragen des Arztes zur Blasenfunktion und Harninkontinenz
Wie häufig gehen Sie am Tag zur Toilette? Müssen Sie auch nachts Wasser lassen? Wenn ja, wie oft?
Wie oft verlieren Sie unfreiwillig Harn und wie viel (Tröpfchen oder Schwall)? In welchen Situationen? Nur tagsüber oder auch nachts?
Verspüren Sie beim Wasserlassen ein Brennen?
Benutzen Sie Hilfsmittel zum Auffangen des Urins? Falls ja, welche und wie oft wechseln Sie sie? Was haben Sie bereits in Eigenregie gegen die Blasenschwäche unternommen?
Empfinden Sie die Blasenschwäche als belastend? Sind Sie dadurch in Ihrer Lebensführung eingeschränkt?
Seit wann sind die Beschwerden vorhanden und wie heftig sind sie?
Gibt es Faktoren, die die Inkontinenz verbessern oder verschlechtern?
Bestehen Schwierigkeiten, die Blase zu entleeren?
Kommt Blut im Urin vor?
Es folgt eine allgemeine körperliche Untersuchung. In diese kann ebenso der Gynäkologe, Urologe oder Neurologe einbezogen werden. Das Gleiche gilt für weitere Maßnahmen, mit denen der Arzt die Funktion der ableitenden Harnwege feststellt. Dazu zählen:
Mittels Urintests können mögliche Harnwegsinfektionen oder Blut im Urin ausgeschlossen werden. Außerdem führt der Arzt mitunter Restharnbestimmung und Ultraschallverfahren durch.
In speziellen Fällen gibt es auch urodynamische Messungen: Zum Beispiel Uroflow, Miktionszysturethrogramm, Blasenspiegelung (Zystoskopie) und Röntgenuntersuchungen.
Die einzelnen Untersuchungen werden in diesem Artikel ausführlich erläutert.
Mit Hilfe von speziellen Fragebögen und einem Miktionstagebuch (siehe unten) sollten Sie vor allem der Frage nachgehen: Wann und wieviel Urin haben Sie verloren? Diese Aufzeichnungen geben dem Arzt wertvolle Hinweise für seine Diagnose.
Checkliste: Fragen, die der Patient stellen sollte
Welche Form der Harninkontinenz habe ich?
Sind noch weitere Untersuchungen erforderlich? Falls ja, warum? Wie werden sie durchgeführt?
Was kann man gegen meine Harninkontinenz tun? Welche Medikamente sind geeignet beziehungsweise erforderlich? Wie wirken die Medikamente und mit welchen Nebenwirkungen muss ich rechnen?
Steht mir eine Operation bevor?
Was kann ich selbst tun?
Welche Hilfsmittel sind empfehlenswert? Welche bezahlt die Krankenkasse?
Wie sind die Aussichten auf Besserung oder Heilung?
Inkontinenz: Therapie bei Blasenschwäche
Bestehen Probleme mit Inkontinenz, sollte ein Kontinenztraining bei geschulten Fachleuten in Anspruch genommen werden. Zu diesen Schulungen gehören zum Beispiel Beckenbodentraining (funktioniert auch mit Vaginalkonen) und Toilettentraining.
Zur konservativen Therapie von Inkontinenz gehört zudem die Gabe von Medikamenten, in Abhängigkeit von der Ursache zum Beispiel mit Wirkstoffen wie Desmopressin oder dem Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Duloxetin. Sollten die oben genannten Behandlungsarten nicht helfen, gibt es verschiedene operative Möglichkeiten, zum Beispiel die TVT-Operation bei Belastungsinkontinenz. Auch Botox-Injektionen und der Abbau von Übergewicht können sich positiv auswirken.
Weitere Maßnahmen gegen Inkontinenz
Mit Hilfe einer Elektrostimulation wird die Beckenboden- und Schließmuskulatur gezielt gereizt und damit gestärkt. Die Elektroden werden auf der Haut angebracht oder in die Scheide eingeführt.
Bei der Biofeedback-Therapie erlernt der Patient, unbewusste Körpervorgänge wahrzunehmen. Ein Druckfühler wird beispielsweise in den Enddarm oder die Scheide gelegt und mit einem elektrischen Sensor verbunden. Bei Husten, Niesen oder zunehmender Blasenfüllung zeigt er die Druckschwankungen im Bauchraum an. Die Spannung des Blasenschließmuskels ändert sich. Dieser Vorgang wird vom Patienten bewusst wahrgenommen und geübt.
Hilfreiche Tipps, um einer Blasenschwäche vorzubeugen
1. Nehmen Sie viel Flüssigkeit zu sich, damit die Blase gut durchspült wird. Achten Sie dabei auf reizstoffarme Getränke wie zum Beispiel Kräutertees oder Säfte.
2. Sie sollten nicht direkt vor dem Schlafengehen trinken. Das erhöht die Gefahr, unwillkürlich in der Nacht einzunässen.
3. Lassen Sie sich beim Toilettengang Zeit, und versuchen Sie, die Blase ganz zu leeren. Der Harndrang tritt dann seltener auf und Bakterien können sich weniger gut im Restharn vermehren.
4. Entspannungsübungen wie Autogenes Training, Atemtherapie oder Massagen können vor allem bei einer helfen, psychische Anspannungen abzubauen.
5. Ein Miktions- oder Blasentraining kann hilfreich sein. Nach Rücksprache mit Ihrem Arzt sollten Sie einige Tage Protokoll führen: Wie oft sind Sie zur Toilette gegangen? Mussten Sie einnässen? Wieviel Urin haben Sie abgegeben? Wieviel haben Sie den Tag über getrunken? Durch eine aktive Verlängerung oder Verkürzung der Intervalle, können Sie eine effizientere Blasenentleerung erreichen. Wie das Blasentraining genau funktioniert, erfahren Sie hier.
Hilfsmittel gegen Inkontinenz
Auch wenn in den meisten Fällen Inkontinenz vollständig behoben werden kann, so gibt es doch Fälle, bei denen eine Heilung nicht möglich ist. Doch für diese Betroffenen ist ebenfalls ein vollkommen normales Leben möglich. Schulungen und Beratungen sind empfehlenswert, um Strategien für den Alltag zu entwickeln.
Zudem ermöglicht eine Vielzahl von Hilfsmitteln gegen den unfreiwilligen Abgang von Urin oder Stuhl, dass Betroffene ihr Leben unbeschwert genießen können und auf gesellschaftliche Ereignisse nicht verzichten müssen.
Solche Inkontinenzprodukte lassen sich einteilen in
aufsaugende Produkte wie Inkontinenzeinlagen, Windeln oder Windelhosen, die nicht nur Feuchtigkeit, sondern auch Gerüche und Hautreizungen verhindern
ableitende Produkte wie Katheter
auffangende Produkte: Beinbeutel oder Kondomurinale sind unauffällige Behälter, die den Harn sammeln.
Inkontinenzauflagen zum Schutz der Matratze
Verschiedene Faktoren – wie Tragekomfort, Trockenheitsgefühl, aber auch Kosten – bestimmen, welche Inkontinenzprodukte sich individuell am besten eignen.